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Vom Cul-de-Canard

Kein anderer als Marc Petitjean wäre besser in der Lage, Nachforschungen über die Ursprünge der Entenbürzelfederfliegen anzustellen. Erstens, weil et heute selbst einer der Meister auf diesem Gebiet ist. Zweitens lebt er in Fribourg, d.h. nahe genug an jenen Regionen des Schweizer Jura, in denen Fliegen mit Cul de Canard Fibern zu allererst von vielen Fliegenfischern genutzt wurden.

Nördlich.

Erste Nachforschungen führten Marc Petitjean in den Norden des Schweizer Jura, nach Courfaivre. Denn dort konnte et Louis Veya treffen, der bis heute CDC-Fliegen im traditionellen Stil bindet und davon bescheiden lebt.

Kennengelernt hat Louis Veya seine CDCBindeweise bei Maximilian Joset. Der hatte zwar, als Gelegenheitsarbeiter in der Landwirtschaft und in Sägewerken, keinen festen Wohnsitz nur um so grösser jedoch auch deshalb sein Ruf als exzellenter Fliegenfischer.

Fliegen mit Hecheln aus Entenbürzelfedern wurden damals im Norden des Schweizer Jura « moustiques », « Stechmücken » genannt, ein Name, in dem für französische Fischer noch heute weit weniger die hässlichen Neigungen von Culex pipiens mitschwingen als die Hoffnung auf die ,Bissigkeit » solcher Muster gegenüber Forellen und Äschen …

„Ich habe meine ersten moustiques erst 1942 gebunden », erzählt Louis Veya. ,Aber schon 1935 habe ich Maximilian Joset beim Binden solcher Fliegen zugeschaut und der bat sie sicher schon in den zwanziger Jahren so gebunden.

Zu Beginn tauschte ich meine Fliegen gegen dal ein, was ich zum Fischen brauchte. Während des Krieges bekam man dann kein Benzin und Josets Sohn und ich waren praktisch am Doubs und an der Sorne allein. Oft fing jeder von uns beiden Jungs 25 gute Forellen am Morgen und genausoviele am Nachmittag. Und am Abend gelegentlich welche von durchschnittlich 450 gr.

In dieser schweren Zeit gingen wir dann von Tür zu Tür und verkauften unsere Forellen zu einem Stückpreis von 1 FF, am an Geld zu kommen.  »

Danach machte die Fängigkeit seiner CDC-Fliegen Louis Veya zum gefragten Binder. Er band für so renommierte Geschäfte wie Quoindoz in Genf und Jenzer in Basel. Für 20 Centimes bekam man nach dem 2. Weltkrieg eine seiner CDC-Fliegen. Und die waren gefragt.

In seiner näheren Umgebung konnte Louis Veya bald keine Entenbürzelfedern mehr auftreiben. Deshalb musste er, von Courfairvre aus, immer wertere Wege in Kauf nehmen. Von Hof zu Hof fuhr er damals, bis hinauf nach Nancy in Lothringen, um diese speziellen Entenfedern zu bekommen.

Grösste Schwierigkeiten bereitete es ihm zunächst, die misstrauischen Bauern davon zu überzeugen, dass et nur eine kleine Stelle ihres geliebten Federviehs rupfen wollte. Seine Freundlichkeit, Demonstrationen an lebenden Objekten und dal tatsächliche Nachwachsen der begehrten Federn an der Entnahmestelle, führten jedoch bald dazu, dass sein Kommen vielerorts schon erwartet und festlich gefeiert wurde.

Nicht mit der ganzen Familie essen zu wollen, war der sicherste Weg, keine Entenbürzelfedern mehr rupfen zu dürfen », erinnert sich Louis Veya. Seither kann Courfaivre im Schweizer Hochjura als Wiege der « moustiques » gelten. Doch was, zum Teufel, fragte sich Marc Petitjean, hatte es mit den Fliegen von Vallorbe » auf sich?
Südlich.

Weitere Nachforschungen führten ihn in dieses Städtchen im Unteren Jura, das ehemals als internationaler Umschlagbahnhof und für seine Werkzeugindustrie bekannt war.

Dort erfuhr er Näheres über den 1945 verstorbenen Charles Bickel. Der hatte, ebenfalls im Ruf eines aussergewöhnlich erfolgreichen Fliegenfischers stehend, seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts schon ,Fliegen von Vallorbe » für sich und Freunde gebunden. Dann entschloss er sich nicht nur, Angelhaken selbst herzustellen, sondern beschäftigte in seiner Bindewerkstatt auch bis zu zwölf Personen. Seine Starprodukte: die « mouches de Vallorbe ».

Zur gleichen Zeit.

Wohl niemand wird jemals ergründen, wer der ,wahre Erfinder » der Entenbürzelfliege war. Maximilian Joset und Charles Bickel lebten zwar nur eine gute Autostunde voneinander entfernt. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass sie sich jemals begegneten. Damals gab es einfach noch nicht die Kontaktmöglichkeiten, die heute so selbstverständlich sind.

Andererseits spricht nichts dagegen, dass wir davon ausgehen dürfen, dass zwei begeisterte Fliegenfischer zur gleichen Zeit dieselbe Idee verfolgten, um schwierige Fische zu überlisten. Ob sic von sich ans auf das Material Entenbürzelfedern kamen oder von anderen darauf aufmerksam gemacht wurden, ist heute nicht mehr feststellbar.

Ganz sicher ist jedoch, dass CDC-Fliegen erstmals an den Gewässern des Schweizer Jura gefischt wurden und dann auch im französichen Jura. Und dass sich dabei das Material Entenbürzelfedern aufgrund spezieller Vorzüge gegenüber anderen Federn, auch Hahnenhecheln, als klar überlegen erwies. Die Fliegen von Charles Bickel wiesen keine Schwänze auf, fischten also im Oberflächenfilm. Maximilian Josets Muster hatten dagegen Cerci und Körper aus Zwicki Seide. Weil sich deren Farben beim Nasswerden verändern, ging Louis Veya bald zu Raffiabast über.

Mehr als 1.000 km vom Schweizer Jura entfernt, begegnete Marc Petitjean einem weiteren Binder, der seiner Meinung nach die Bindetechnik der CDCs wesentlich weitergebracht bat. Es handelte sich um den heute über achtzigjährigen Marjan Fratnik, der als grosser Kenner der Gewässer rings um seine slowenische Heimatstadt Lubljana gilt und der beruflich weit in der Welt herumkam.

Nicht nur in Europa (s. Heft 54, S. 28 f), auch in den USA ist seine « F.F.F. », auch ,F-Fly » genannt, seit Jahrzehnten ein Begriff und renommierte Handbücher beschreiben sic im Detail. Charakteristisch für Fratniks « FFF » ist ein Büschel CDC-Fibern, das als halbkreisförmiger Fächer über dem Hakenschenkel eingebunden und dessen Spitzen senkrecht zum Hakenbogen beschnitten werden – eine vom Erscheinungsbild her einfache, aber sehr fängige Fliege. In den 60er Jahren wich Fratnik als erster von gewundenen Hechelkränzen ab, als er festgestellt hatte, wie vorteilhaft sich CDC-Fibern als solche nützen lassen. Er bindet zudem eine Sedge, bei der die Flügel mit einer kleinen CDC-Hechel angedeutet werden, die, auf dem Hakenschenkel liegend, mit dem Kiel nach hinten eingebunden wird.

Zur selben Zeit erlebten die Entenbürzelfliegen in Frankreich einen regelrechten Aufschwung. Viele Binder nahmen sic in ihre Kollektionen auf. So band Henri Bresson (vgl. Heft 98, S. 23 ff) ähnlich wie Fratnik nur ein Büschel CDC-Fibern schräg über den Haken und solche Muster bewiesen ihre Fängigkeit an den Flüssen der Franche Comté. Er erfand die Bezeichnung « Cul-de-Canard » und liess sie sich als Markenname schützen. Etwas später bot Aimé Devaux (vgl. Heft 8, S. 20, f; und Heft 641, S. 10) ein erstes Muster an, das eine CDC-Hechel aufwies, die durch eine graue Hahnenhechel gestützt wurde .
Die moderne Ära.

In den achtziger Jahren begann die moderne Ära der CDC-Fliegen. Zunächst wickelte in Deutschland Gerhard Laible nicht mehr ganze CDC?Hecheln um den Haken, sondern strukturierte Hechelsegmente zu perfekten Rundbehechelungen (s. Heft 61, S. 28 f).

In einem weiteren Schritt bettete er CDC-Fibern in eine Dubbingschlaufe ein, eine Methode, die die gleichzeitige Verwendung einer ganzen Fülle weite rer, künstlicher und synthetischer Materialien erlaubt, nicht zuletzt auch zur Herstellung von Fliegenkörpern (s. die seitHeft77, S. 38ff, laufende Beitrags reihe ,Vom Cul-de-Canard »; bislang 77 Folgen). Eine ganze Fülle dieser Möglichkeiten zeigt er auch in seinem 1993 erschienenen Buch ,CDC-Flies », Bas auch hervorragende Zeichnungen von Charles Gaidy enthält.

Schliesslich trat mit Marc Petitjean der Verfechter des « Alles aus CDC » Prinzips, d.h. des Bindens ohne Beimischung anderer Materialien auf den Plan. Höchstens den Bindefaden haben seine Muster mit anderen Fliegen gemein. Speziell an seinen Trockenfliegen sind die V förmigen Flügel ans CDC-Fibern und die von ihm erfundene und perfektionierte Methode für Körper rein CDC.

Als er dann auch CDC-Material in seine Nymphen integrierte und sogar in alle anderen Arten von nass zu fischenden Mustern in Streamer, auch auf Hecht, in Steelhead, Lachs, Meerforellen, in Black Bass, Bonefish und Permit-Fliegen erntete er allerdings ans seiner engeren Umgebung Verständnislosigkeit und Spott: CDC Federn seien doch dazu da, Trockenfliegen besser schwimmen zu lassen!

Das ändert aber nichts daran, dass Marc Petitjean als erster die Bedeutung der speziellen Eigenschaften von CDC Fibern ihre Leichtigkeit, ihr spezifisches Gewicht, ihre Sichtigkeit und ihre erstaunliche Lebendigkeit auch für den Einsatz unter der Wasseroberfläche erforschte und erkannte.

Ausgereizt?

In den letzten 80, 90 Jahren haben sich unsere CDC-Muster weit entfernt von jenen « moustiques » und ,Fliegen von Vallorbe » zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Geblieben sind jedoch die wundervollen Federn, die nicht etwa um die Afteröffnung, sondern am äussersten Ende des oberen Entenrückens spriessen und immer wieder nachwachsen.

Wir können darauf wetten, dass bei dem Einfallsreichtum, für den unsere Broder bekannt sind, die Einsatzmöglichkeiten für Entenbürzelfedern noch immer nicht ganz ausgeschöpft sind. Unsere lieben Enten, seien sie nun wild Oder domestiziert, tun also gut daran, auf die Federn rings um ihre Bürzeldrüsen gut aufzupassen.